Er verschärft geopolitische Spannungen und spielt dem Islamischen Staat in die Hände. Er könnte der Weltwirtschaft die nächste Finanzkrise bescheren, oder Saudi Arabiens Rolle als eine führende Macht im Nahen Osten beenden. Das sind Perspektiven, die laut jüngsten Zahlen nicht mehr außer Zweifel stehen.
Hier kommen die Beispiele, die das verdeutlichen.
In den USA haben
laut Bloomberg allein vier Ölfirmen mit zusammen 4,8 Milliarden Dollar Schulden in dieser Woche gewarnt, dass sie am Rande des finanziellen Zusammenbruchs stehen.
Niedrige Ölpreise verhageln ihre Einnahmen, während verunsicherte Investoren kein weiteres Geld für eine fortgesetzte Ölförderung bereitstellen wollen.
Die Barclays-Bank rechnet in den kommenden zwölf Monaten mit einer Verdoppelung der Kreditausfälle bei Ölfirmen mit geringer Kreditwürdigkeit. Diese müssen bereits astronomische zwölf Prozent Zinsen auf ihre Anleihen zahlen, verglichen mit sieben Prozent vor einem Jahr.
Sollte der Ölpreis unter 60 Dollar je Barrel bleiben, sagt auch der Vermögensverwalter
Marathon Asset Management eine gewaltige Zunahme der Kreditausfälle bei Ölförder-Firmen mit geringer Bonität auf 25 Prozent in den kommenden zwei bis drei Jahren vorher, wenn die Öl-Notierungen

unter 60 Dollar bleiben.
»Keiner steckt frisches Geld in diesen Sektor«, zitiertBloomberg den Mitbegründer von Marathon, Bruce Richards. Kein Wunder: Denn die Investoren und Anleger, die in den vergangenen sechs Monaten 14 Milliarden Dollar in hoch verzinste Ramschanleihen schwächerer Ölförderer gesteckt haben, sitzen bereits auf zwei Milliarden Verlust.
Und die Ratingagentur
Moody´s Investors Service hat darüber Buch geführt, dass von Januar bis Oktober des laufenden Jahres in den USA bereits 23 Energiefirmen Opfer ihrer hohen Verschuldung wurden. Die Analysten bei
Barclayssagten am 6. November in einem Rundbrief an ihre Kunden
»kurzfristig eine Welle von Kreditausfällen« vorher.
Auf der anderen Seite der Front in diesem globalen Ölkrieg sieht es nicht besser aus. Die Folgen für Saudi Arabien und seine Verbündeten könnten sogar viel gravierender sein. Der Internationale Währungsfonds hat Ende Oktober gewarnt, dass das Königreich in fünf Jahren seine Reserven aufgezehrt haben könnte. Noch bevor das der Fall ist, droht eine Kettenreaktion, die die gesamte Region Nahost destabilisieren könnte.
Beim nächsten OPEC-Gipfel am 4. Dezember in Wien droht ein Aufstand der übrigen Mitglieder des Kartells. Vor allem Venezuela, Ecuador und Algerien stehen mit dem Rücken zur Wand, weil ihnen der Überschuss von zwei Millionen Barrel Öl pro Tag auf der Welt durch kollabierte Preise die

Staatsfinanzen ruiniert.
Basis der Prognose sind nicht nur die verfügbaren Zahlen. Auch Energieexperten wie Helima Croft bei der kanadischen Investmentbank RBC Capital Markets, die zuvor Öl-Analystin bei der CIA war, sieht Saudi Arabien direkt gegen die Interessen der Hälfte der OPEC-Mitglieder agieren. Dabei bräuchten die Saudis die OPEC wie Deutschland die EU-Märkte brauche, um seine wirtschaftliche Position zu stärken.
Saudi Arabien braucht derzeit viel zusätzliches Kapital, um seinen Krieg im Jemen zu finanzieren. Doch die mit zusätzlichem Öl-Ausstoß finanzierten Mehreinnahmen lassen den Ölpreis so weit fallen, dass dem Rest der OPEC pro Jahr 450 Milliarden Dollar Einnahmen entgehen, wie die

Internationale Energieagentur schätzt.
Der Ölminister von Oman (nicht in der OPEC) sieht Saudi Arabien in einer Öl-Falle, die es sich selbst gestellt hat. Pritchard vermutet zudem, dass Saudi Arabien mit dem seit eineinhalb Jahren orchestrierten Verfall der Ölpreise die globale Energiewende hin zu Wind und Sonne noch einmal aufhalten will.
Doch diese Kalkulation ist furchtbar schiefgegangen, weil die Ölpreise in der ersten Hälfte des Jahrzehnts lange genug bei oder über 100 Dollar notierten, hoch genug, um den Schub bei erneuerbarer Energie kräftig zu verstärken. China als der größte Ölimporteur auf dem Planeten investiert derzeit knapp zweimal so viel in umweltfreundliche Energien wie der Rest der Welt zusammen.
Jetzt hat der junge Herrscher König Salman in Saudi Arabien laut Pritchard nicht nur einen geheimen Erlass über drakonische Sparmaßnahmen verfügt, der unter anderem einen Stopp für Einstellungen von Beamten und für den Kauf von Autos auf Staatskosten verfügt.
Es ist demnach auch nicht mehr sicher, dass Saudi Arabien verbündete oder geneigte Länder in der Region ‒ wie Ägypten ‒ finanziell unterstützen kann. Ägypten kämpft auf der Sinai-Halbinsel gegen den Islamischen Staat, der am Mittwoch Außenposten der ägyptischen Armee angriff.
Bei
den Gefechten sollen fast 120 Menschen gestorben sein.
IS-Extremisten gelang es im August, vor den Toren Kairos einen kroatischen Ingenieur zu entführen und zu enthaupten. Der IS wird auch verdächtigt, für den vermeintlichen Bombenanschlag auf ein russisches Verkehrsflugzeug vor ein paar Tagen verantwortlich zu sein.
Und der Irak erleidet aufgrund der kollabierten Ölpreise trotz rekordhoher Förderung so starke Einnahmeausfälle, dass bei einem Budgetdefizit von 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eine ausgemachte Wirtschaftskrise droht. Die Regierung strich unter anderem Finanzmittel für eine Miliz, die gegen den IS kämpft.
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